Keine Panik im Maschinenraum: Mit der richtigen OT Security Strategie sicher durch den Sturm der Cyber-Bedrohungen

Erinnern Sie sich an den Mai 2021? Als die Colonial Pipeline, eine der wichtigsten Treibstoffadern der USA, plötzlich trockenlief und an der Ostküste Panikkäufe und lange Schlangen an den Tankstellen auslöste? Kein technischer Defekt, keine Naturkatastrophe – der Grund war eine Ransomware-Nachricht auf einem Computermonitor. Aus Angst, der Angriff könnte von den IT-Systemen auf die operative Technologie (OT) übergreifen und physischen Schaden anrichten, zogen die Betreiber selbst den Stecker der Pipeline-Steuerung. Ein Albtraum-Szenario, das die Verwundbarkeit unserer vernetzten Welt brutal offenlegte. 2021 ist zu lange her? Wie wäre es mit September 2025 und dem Angriff auf Jaguar Land Rover? Der britische Autobauer musste auf Grund einer Cyberattacke seine Produktion stoppen. Das kommt nicht nur die Firma selbst teuer zu stehen, sondern hat Auswirkungen auf die ganze Lieferkette.
Früher waren Produktionsanlagen wie isolierte Inseln – sicher, abgeschottet und technologisch oft ein Relikt aus einer anderen Zeit. Doch die digitale Transformation hat diese Inseln mit der IT-Welt verbunden und Brücken für Effizienz und Datenanalyse gebaut. Wie der Fall Colonial Pipeline zeigt, sind diese Brücken auch zu Einfallstoren für Hacker geworden.
Dieser Artikel ist Ihr Leitfaden in der oft komplexen Welt der OT Security. Wir zeigen Ihnen, warum dieses Thema keine ferne Bedrohung mehr ist, sondern eine akute Herausforderung für Ihre kritische Infrastruktur. Wir entmystifizieren die Unterschiede zur klassischen IT-Sicherheit und geben Ihnen praktische Tipps an die Hand, wie Sie Ihre Anlagen schützen, die Verfügbarkeit sicherstellen und die wachsenden Anforderungen der Regulierung meistern.
Was genau ist OT Security? Eine Welt mit eigenen Regeln
Operational Technology (OT) umfasst alle Hardware- und Softwaresysteme, die physische Prozesse direkt überwachen und steuern. Industriesteuerungen (ICS), SCADA-Systeme in Wasserwerken, Roboter in der Fertigung oder die Steuerung von Stromnetzen. Lange Zeit funktionierten diese Systeme autonom. Die grösste Sorge war der physische Ausfall einer Komponente.
Die zunehmende Vernetzung von OT- und IT-Systemen, getrieben durch Industrie 4.0 und das Industrial Internet of Things (IIoT), hat die Spielregeln jedoch radikal verändert. Diese Konvergenz ermöglicht zwar ungeahnte Effizienzsteigerungen, öffnet aber auch die Tür für Cyber-Bedrohungen, auf die diese alten Systeme nie vorbereitet waren.
IT-Sicherheit vs. OT-Sicherheit: Ein Kampf der Kulturen?
Wer versucht, IT-Sicherheitsprinzipien eins zu eins auf die OT-Welt zu übertragen, wird scheitern. Die Prioritäten sind fundamental verschieden.
In der IT-Sicherheit gilt die klassische CIA-Triade:
- Confidentiality (Vertraulichkeit): Schutz von Daten vor unbefugtem Zugriff.
- Integrity (Integrität): Sicherstellen, dass Daten korrekt und unverändert sind.
- Availability (Verfügbarkeit): Gewährleisten, dass Systeme und Daten bei Bedarf zugänglich sind.
In der OT-Sicherheit gelten diese Prinzipien zwar grundsätzlich auch, allerdings mit einer klaren Priorisierung von Verfügbarkeit und Integrität. An erster Stelle steht der reibungslose und ununterbrochene Betrieb der Anlagen. Jeder Stillstand kostet sofort bares Geld und kann im Bereich kritischer Infrastrukturen katastrophale Folgen haben. Die Korrektheit der Steuerungsbefehle und Prozessdaten ist entscheidend. Falsche Befehle können Maschinen beschädigen oder die Produktqualität ruinieren. Vertraulichkeit ist zwar wichtig, aber meist der Verfügbarkeit und Integrität untergeordnet.
Dieser Unterschied ist fundamental. Ein wöchentlicher Patch-Day mit Neustart, wie er in der IT üblich ist, ist in einer 24/7-Produktionsumgebung meist undenkbar. Sicherheitsscans dürfen auf keinen Fall die empfindlichen Steuerungen überlasten oder zum Absturz bringen. OT-Systeme haben zudem oft Lebenszyklen von 15 bis 20 Jahren und laufen mit veralteten Betriebssystemen, für die es längst keine Sicherheitsupdates mehr gibt. Hier braucht es also eine andere Herangehensweise.
Keine Ausreden mehr: Der regulatorische Weckruf
Der Gesetzgeber hat die Gefahr erkannt. Mit Richtlinien wie der NIS2 (Network and Information Security Directive) der EU und nationalen Gesetzen wie dem Informationssicherheitsgesetz in der Schweiz oder die verschärfte Regulierung in der Strom- und Gasbranche wird der Druck auf Betreiber kritischer Infrastrukturen und andere wichtige Sektoren massiv erhöht. Diese Regulierung fordert konkrete Massnahmen zur Risikoanalyse, zum Schutz der Systeme und zur Meldung von Vorfällen. Wer diese Anforderungen ignoriert, dem drohen empfindliche Strafen.
Häufig gestellte Fragen (FAQs) zur OT Security
F: Was ist der erste Schritt zur Verbesserung der OT Security?
A: Der absolut erste Schritt ist Transparenz. Sie können nichts schützen, was Sie nicht kennen. Eine vollständige Bestandsaufnahme (Asset Inventory) aller Geräte, Systeme und Verbindungen in Ihrem OT-Netzwerk ist die unerlässliche Grundlage für alle weiteren Massnahmen.
F: Sind Air Gaps – also die komplette physische Trennung von OT und IT – noch eine Lösung?
A: In der Theorie ja, in der Praxis existieren echte Air Gaps kaum noch. Oft gibt es undokumentierte Verbindungen für Wartungszwecke oder Datenaustausch. Zudem müssen Daten oft per USB-Stick übertragen werden, was ein eigenes, grosses Sicherheitsrisiko darstellt. Man spricht heute eher von der Notwendigkeit einer kontrollierten und überwachten Segmentierung.
F: Unsere Anlagen sind 20 Jahre alt. Können wir sie überhaupt absichern?
A: Ja. Auch wenn Sie die alten Systeme selbst nicht patchen können, können Sie sie durch moderne Sicherheitsmassnahmen „ummanteln“. Netzwerksegmentierung, also die Unterteilung des Netzes in kleine, kontrollierte Zonen, und die Überwachung des Netzwerkverkehrs auf Anomalien (Anomaly Detection) sind hier hocheffektive Methoden, um auch alte Systeme zu schützen.
Fazit: Vom Risiko zur Chance
OT Security ist kein unbezwingbarer Berg, sondern eine Reise, die man Schritt für Schritt gehen muss. Die Zeiten, in denen man die Produktions-IT ignorieren konnte, sind endgültig vorbei. Die zunehmende Vernetzung, die wachsende Bedrohung durch Hacker und die strengere Regulierung zwingen zum Handeln.
Sehen Sie es als Chance: Ein sicheres OT-Umfeld schützt nicht nur vor Ausfällen und Angriffen, sondern sichert auch die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens im Zeitalter von Industrie 4.0. Indem Sie die Verfügbarkeit Ihrer Systeme gewährleisten, schützen Sie den Kern Ihrer Wertschöpfung. Fangen Sie heute an, die Brücken zwischen IT und OT nicht nur für Daten, sondern auch für eine gemeinsame Sicherheitsstrategie zu bauen.
Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Erstberatung, um Ihre OT-Umgebung zu schützen.